Bozen, 06.07.2017

Ötzi und die Toskana: weitreichende Beziehungen in der Kupferzeit

wissenschaftliche Publikation bestätigt Herkunft des Beilkupfers aus Mittelitalien

Das Kupfererz von Ötzis Beil stammt aus der südlichen Toskana. Erste Forschungserkenntnisse darüber waren bereits im vergangenen September 2016 von Prof. Gilberto Artioli von der Universität Padua auf dem Mumienkongress vorgestellt worden, der vom EURAC-Institut für Mumienforschung und dem Südtiroler Archäologiemuseum anlässlich des 25. Auffindejahrtags von Ötzi organisiert worden war. Die Ergebnisse von Artioli und seiner Forschergruppe wurden mittlerweile verifiziert und liegen seit gestern 5. Juli 2017 als Publikation in der wissenschaftlichen Zeitschrift PLOS ONE vor.

Die Erkenntnis von der Herkunft des Kupfers kommt überraschend, da in der archäologischen Fachwelt bisher davon ausgegangen wurde, dass das im Alpenraum verwendete Kupfer aus alpinen Lagerstätten oder aus dem Balkan stammte. Noch unklar ist, ob der Mann aus dem Eis das Kupfer als Rohmaterial aus der Toskana erhandelte oder bereits als fertige Klinge. Neben dem Nachweis von der Herkunft des Kupfers weist Artioli auch Nachweise zeitgleicher Metallverarbeitung in der Toskana nach. Weitere Forschungsprojekte sollen nun die kupferzeitlichen Handelswege bis in den Alpenraum rekonstruieren.

Das Kupferbeil wurde vor 25 Jahren zusammen mit den Beifunden des Mannes aus dem Eis geborgen und gab faszinierende Aufschlüsse zur Metallurgie der Kupferzeit. Die Verbindung der Beilklinge mit dem Beilholm ermöglichte eine Datierung mit der Radiokarbonmethode C14 und konnte damit das absolute Alter des Beils auf 3346-3011Jahre vor Chr. festlegen. Das Kupferbeil des Mannes aus dem Eis ist bislang weltweit das älteste komplett erhaltene Beil der Jungsteinzeit (mit Griff, Klinge, Lederumwicklung und Birkenteer).

Die Archäometallurgie-Forschungsgruppe der Universität Padua, bestehend aus Gilberto Artioli (Dip. Geoscienze), Ivana Angelini (Dip. Beni Culturali), Caterina Canovaro und Gregorio dal Sasso (Dip. Geoscienze) legten in Zusammenarbeit mit Igor Villa (Università di Milano Bicocca) und Günther Kaufmann (Südtiroler Archäologiemuseum Bozen) nun die erste vollständige chemische und Isotopen-Analyse der Kupferklinge vor.

Eine winzige Materialprobe erlaubte die chemische Untersuchung der Beilklinge an der Universität Padua und die Isotopenuntersuchung in Zusammenarbeit mit der Universität Bern. Die beiden Analysen revolutionierten die bisherigen Annahmen zum Handel von Kupfer im 4. Jahrtausend v.Chr. im alpinen Raum. Aus archäologischer Sicht war dieses Ergebnis unerwartet, da man für das 4. Jahrtausend v.Chr. bisher von Kupferabbau im alpinen oder dem Balkan-Raum ausgegangen war (Lagerstätten im heutigen Südtirol, Trentino, Österreich, Deutschland oder der Slowakei) und den Balkanländern (heutiges Serbien, Bulgarien).

Die Ergebnisse, die gestern in der wissenschaftlichen Zeitschrift PLOS ONE (http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0179263) veröffentlich wurden, belegen eindeutig, dass das Metall von Ötzis Kupferklinge aus Lagerstätten der Toskana stammt. Die Kupfervorkommen der südlichen Toskana weisen eine einzigartige Isotopenzusammensetzung von Blei auf, die sich von allen in Europa und dem Mittelmeerraum befindlichen Lagerstätten unterscheidet. Diese Zusammensetzung findet sich auch unverändert in dem gegossenen Werkzeug wieder. Möglich wurde die Analyse durch den Vergleich mit anderen kupferführenden Erzen, die seit Jahren weltweit vom Institut für Geowissenschaften der Universität Padua in einer Datenbank gesammelt wurden.

Die Herkunft des Kupfers aus der Toskana deckt sich mit weiteren neuen Erkenntnissen der Forschergruppe, die den Abbau von kupferhaltigem Erz und die Herstellung von Kupferwerkzeugen im Bereich der südlichen Toskana bereits für die Jungsteinzeit nachweisen konnten (Campiglia Marittima). Dies wirft ein neues Licht auf die Verbreitung des Materials und auf die die sozio-ökonomischen und kulturellen Beziehungen der Menschen in der Kupferzeit. Die neuen Daten bestätigen weit reichende Verbindungen zwischen den Jungsteinzeitlichen Kulturen in Mittelitalien (Rinaldone-Kultur) und denen nördlich des Apennins (Spilamberto, Remedello), bis hin zu den Bevölkerungsgruppen des südlichen Alpenbogens, aus denen der Mann aus dem Eis stammt.

Nicht ablesen lässt sich an den chemischen und den Isotopen-Daten, ob das Kupfer in Rohform (Barren) gehandelt wurde oder ob bereits fertige Artefakte wie die Beilklinge getauscht wurden. Typologische Vergleiche mit Beilklingen aus Mittelitalien legen nahe, dass Ötzi nicht das Rohkupfer, sondern bereits die fertige Klinge erhandelt haben könnte. Weitere archäologische Forschungsprojekte sollen nun aufgrund der neuen Erkenntnisse die Verbreitung und die Handelswege von jungsteinzeitlichen Beilen aus metallurgischer Sicht von Mittelitalien bis in die Alpenregion untersuchen.

Hinweis für die Medien:
Interviews sind möglich mit
–    Prof. Gilberto Artioli, Gruppo di ricerca archeometallurgia, Instituto per Geoscienze dell‘Università di Padova
–    Prof.ssa Annaluisa Pedrotti, Istituto Scienze dell’antichità all’Università di Trento, Mitglied des Fachbeirats für Archäologie am Südtiroler Archäologiemuseum
–    Univ. Doz. Dr. Paul Gleirscher, Landesmuseum für Kärnten und stv. Präsident des Fachbeirats für Archäologie am Südtiroler Archäologiemuseum

Foto: Das Kupferbeil des Mannes aus dem Eis © Südtiroler Archäologiemuseum

Pressekontakt:
Katharina Hersel
Südtiroler Archäologiemuseum
Museumstr. 43, I-39100 Bozen
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