Neue Erkenntnisse zu Ötzis DNA: Herkunft, Haut und Haare
Bozen, 16.08.2023 - Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und das Institut für Mumienforschung von Eurac Research in Bozen analysierte das Genom des Mannes aus dem Eis mit neuesten Sequenziermethoden. Die Studie korrigiert bisherige Erkenntnisse zu Ötzis genetischer Abstammung von eingewanderten Steppenvölkern aus dem Osten. Sie lässt gleichzeitig neue Vermutungen zu seinem Gesundheitszustand und seinem Aussehen in Bezug auf seine Hautfarbe und seine Haare zu.
Bereits 2012 wurde das Genom des Mannes aus dem Eis erstmals entschlüsselt, mit wichtigen Erkenntnissen für die Forschung an urgeschichtlichen Europäern. Fortschritte in der Sequenziertechnologie und ein inzwischen angewachsener Datensatz von über zehntausend untersuchten prähistorischen Individuen aus ganz Europa ermöglichten dem Team nun eine genauere Rekonstruktion von Ötzis Genom und dessen Vergleich mit Zeitgenossen. Die Ergebnisse vervollständigen und erweitern das Bild, das wir uns von Ötzi machen.
Die ursprünglichen Jäger und Sammler Westeuropas gingen nach und nach in den frühen Bauern auf, die vor etwa 8000 Jahren aus dem Nahen Osten (Anatolien) einwanderten. Vor ca. 4900 Jahren kamen Steppenhirten aus Osteuropa hinzu. Im Gegensatz zur ersten Untersuchung fand das Forschungsteam keine genetischen Spuren dieser Steppenhirten mehr. Stattdessen zeigte sich im Vergleich mit anderen Menschen aus der Kupferzeit in Ötzis DNA ein vergleichsweise hoher Anteil an Erbgut von „anatolischen“ Bauern. Dies weist darauf hin, dass der Mann aus dem Eis bäuerliche Vorfahren hatte, die relativ isoliert in den Alpen lebten.
Darüber hinaus fand das Forschungsteam Hinweise auf ein Risiko zu Übergewicht und die Neigung zu Altersdiabetes. Vermutlich hatten diese Anlagen beim aktiven Lebensstil des Mannes aus dem Eis aber keine Auswirkung.
Spannende Ergebnisse erbrachte die Studie auch zu Ötzis Aussehen. Sein Hauttyp, schon in der ersten Genom-Analyse als mediterran-europäisch bestimmt, könnte dunkler gewesen sein als bisher angenommen.
In Bezug auf die Haare des Mannes aus dem Eis wurden erstmals genetische Voraussetzungen zu männlicher Glatzenbildung nachgewiesen. Ob sich diese Anlage zu Ötzis Lebzeiten gezeigt hat und wie stark sie ausgeprägt war, lässt sich durch die Studie jedoch nicht bestimmen. Immerhin fanden sich in der Nähe der Mumie 9 cm lange, dunkle Haupthaarlocken.
Elisabeth Vallazza, Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums, ist deshalb vorsichtig mit der Interpretation der Ergebnisse: „In der aktuellen Studie werden bestimmte genetische Erbanlagen festgestellt und Wahrscheinlichkeiten für das äußere Erscheinungsbild von Ötzi diskutiert. Ich freue mich sehr, wenn neue Untersuchungen uns dabei helfen, in Zukunft ein noch konkreteres Bild der Person zu erhalten, die vor über 5.000 Jahren gelebt hat.“
Mit Blick auf die Rekonstruktion im Museum präzisiert sie: „Die bekannte Figur im Museum ist ein Interpretationsversuch, ein Vorschlag, wie wir uns den Mann aus dem Eis zu Lebzeiten vorstellen. Die Figur wurde 2011 von den Paläokünstlern Adrie und Alfons Kennis geschaffen, auf Basis des damaligen Forschungsstandes. Es ging dabei vor allem darum zu zeigen, dass Ötzi ein moderner Mensch war: mittleren Alters, tätowiert, drahtig, wettergegerbt, ein Mensch wie du und ich. Eine Überarbeitung der Rekonstruktion ist derzeit nicht vorgesehen.“
- Die Original-Publikation ist am 16.08.2023 in Cell Genomics erschienen.
- Hier geht es zur Mitteilung von Max-Planck-Institut und Eurac Research.
FOTOS
Rekonstruktion des Mannes aus dem Eis im Südtiroler Archäologiemuseum von Kennis & Kennis, 2011 (c) Südtiroler Archäologiemuseum / foto-dpi.com
Rekonstruktion des Mannes aus dem Eis mit den beiden Paläokünstlern Alfons und Adrie Kennis (c) Südtiroler Archäologiemuseum / Heike Engel 21lux
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